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Der Rückblick: „Wehr dich“ – 1. Osnabrücker Fanrechtetag

Fanrechtetag-01„Wehr dich“ – unter diesem Motto stand der 1. Osnabrücker Fanrechtetag, der am Valentinstag im gastfreundlichen Ambiente der brasilianischen Gaststätte „Planeta Sol“ gegenüber vom Heger Tor stattfand. Mit einer Aufsehen erregenden „Vorladung“ an die Mitglieder der Fanabteilung wurde auf provokante Art zur Veranstaltung eingeladen, die vom Fanprojekt, den Ultràs der Violet Crew und der Fanabteilung organisiert wurde.

 

Nach einer kurzen Begrüßung durch Michael (Fanprojekt), Jörn (Violet Crew) und Daniel (Fanabteilung) standen nacheinander drei Themen auf dem Programm, die von namhaften Referenten vorgestellt wurden, die bei jeweils 90 Minuten „Gesamtspielzeit“ im Anschluss genügend Zeit für Nachfragen und Diskussion ließen.

 

„Gute Freunde kann niemand trennen“

Den Auftakt machte Michael Gabriel, der in Frankfurt am Main die Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) leitet, die als übergeordnete Stelle die sozialpädagogischen Fanprojekte in Deutschland betreut und begleitet. Gabriel skizzierte anschaulich das Thema Stadionverbote (SV) und gab neben einem historischen Abriss auch einen Ausblick auf Neuerungen, so z. B. die Verlängerung der Höchstdauer auf fünf Jahre in besonders schweren Fällen. Eindrucksvoll schilderte Gabriel die Folgen eines SV für die sozialen Beziehungen der Betroffenen. Insbesondere die Problematik, dass SV als Präventivmaßnahme durch Vereine und DFB verhängt werden können, ohne dass eine strafrechtliche Verurteilung besteht, führt dabei zu geringer Akzeptanz bei den Betroffenen.

 

Gabriel nahm allerdings auch die aktiven Fanszenen in die Pflicht, das eigene Verhalten und entstehende Gruppendynamik kritisch zu hinterfragen. Es wurde deutlich, dass die Fanprojekte in einem starken Spannungsfeld zwischen Faninteressen, dem Einfluss der Sicherheitsbehörden und Vereinen stehen.

 

„Schau, schau, der Kommissar geht um! Wenn er dich anspricht, und du (nicht) weißt warum…“

Geselliger Smalltalk im "Planeta Sol"In den Pausen gab es die Gelegenheit zum Smalltalk oder einfach noch zur Klärung von Detailfragen mit den Referenten. Dank ziviler Preise für Kaffee, Wasser und für vom Wirt Pedro und seinem Team gezaubertes brasilianisches Fingerfood konnten die Teilnehmer gut gestärkt in die nächsten 90 Minuten gehen.

 

Mit Dr. Andreas Hüttl aus Hannover war es den Organisatoren gelungen, einen renommierten Rechtsanwalt aus der Riege der AG Fananwälte für das Thema „Fans und Polizei – was tun, wenn’s knallt?“ zu gewinnen. Anhand von Beispielen aus verschiedenen Verfahren der letzten Jahre wurde deutlich, welche Maßnahmen die Ermittlungsbehörden nicht nur an Spieltagen, sondern auch mit Auswirkung auf den Alltag von Fußballfans treffen. Dabei wurde klar, dass in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit anscheinend bei (vermeintlichem) Fußballbezug oftmals ganz andere Maßstäbe angelegt werden als im „normalen“ Leben. Dr. Andreas HüttlIn so manch eine Datei kann ein Fußballfan teils wegen Nichtigkeiten oder dem berühmt-berüchtigten Grundsatz „zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen“ gelangen.

 

Für Heiterkeit sorgte, dass laut Aussage der Landesregierung ausgerechnet in Osnabrück im Gegensatz zu anderen niedersächsischen Standorten eine spezielle Datei der Szenekundigen Beamten nicht existiere. Das in letzter Zeit immer mehr in Mode gekommene Instrument der Betretungsverbote wurde ebenso erläutert wie das „klassische“ SV mit Eintragung in die umstrittene Datei „Gewalttäter Sport“ der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze.

 

„Was ist jetzt eigentlich mit dem Feuerzeugwerfer vom Spiel gegen die Dosen?“

Den Abschluss der Vorträge bildete das Thema „Verbandsstrafen und Sportgerichtsbarkeit“. Tobias Nikolas Westkamp, Rechtsanwalt aus Köln und ebenfalls Mitglied der AG Fananwälte, gelang es mit vielen anschaulichen Beispielen aus der Praxis, die doch sehr spezielle juristische Materie zu vermitteln. Ist das überhaupt alles rechtens, was der DFB da im Rahmen seiner Sportgerichtsbarkeit treibt? Die Antwort hörte sich nach Radio Eriwan an: „Im Prinzip ja, aber …“.

 

Was vor dem Hintergrund von Verfassungs- und Kartellrecht als zweifelhaft erscheinen mag, kann der DFB sich durch großen Druck auf die Vereine offensichtlich erlauben – wo kein Kläger, da auch kein Richter. Allerdings wurden der Weiterreichung von absurden Fantasiestrafen des Verbandes an Einzelpersonen bereits von Gerichten Riegel vorgeschoben, zum Teil stehen diese Verfahren auch noch vor höchstrichterlicher Klärung.

 

Dr. Hermann QueckenstedtNachvollziehbar erläuterte VfL-Präsident Dr. Hermann Queckenstedt, der das Programm mit Interesse verfolgte, am Beispiel des Pokalausschlusses nach dem Spiel gegen Leipzig die Zwickmühle zwischen dem Wunsch einer juristischen Klärung vor einem ordentlichen Gericht und dem vom DFB ausgeübten Druck, dem gerade ein finanziell klammer Club stets in Bezug auf Lizenzierung & Co. ausgesetzt ist.

 

Ayaktakımı – Pöbel, Passolig und Pannes dickes Dankeschön mit Gänsepellegarantie

Nach einem Imbiss mit brasilianischen Köstlichkeiten stellten Naz Gündoğdu, Kunststudentin in Wien mit Istanbuler Wurzeln und Friedemann („Freddy“) Pitschak aus Nürnberg ihren Dokumentarfilm „Ayaktakımı“ (Trailer) vor. Der Begriff steht im Türkischen für Pöbel/Gesindel und bezeichnet diejenigen, die aus den Stadien des Landes verdrängt werden sollen.

 

Der äußerst sehenswerte Film beleuchtet den Stellenwert des Fußballs in der türkischen Gesellschaft, die Kommerzialisierung und die Einführung der elektronischen Registrierungskarte Passolig sowie die Solidarisierung eigentlich verfeindeter Fangruppen im Zuge der Gezi-Park-Proteste.

 

Thomas "Panne" Panhorst mit Sohn sagen "Danke"Thomas Panhorst, vielen VfL-Fans als Exiler „Panne“ bekannt und seit Jahren in Istanbul zuhause, sorgte noch für einen großen Moment, als er sich im Namen der Galatasaray-Fangruppierungen ultrAslan und Only Red für die Unterstützung einer Hilfsaktion für die Angehörigen der Opfer des Grubenunglücks von Soma bedankte. Über den Treffpunkt (lilaweiss.de) hatte Panne die VfL-Fans mobilisiert, die innerhalb kürzester Zeit für Hilfspakete spendeten. Jörn von der VC nahm stellvertretend für alle lila-weißen Helfer unter großem Applaus ein Transparent entgegen.

 

Nach der Filmvorführung blieb noch Zeit zur Diskussion über die türkische Fankultur und die bedrückende politische Entwicklung in der Türkei. Bei einigen Kaltgetränken fand der 1. Osnabrücker Fanrechtetag nach mehr als acht Stunden Programm seinen Ausklang. Der Saal war zeitweise bis auf den letzten Platz gefüllt, die Themen stießen auf eine große Resonanz, so dass mit einer Fortführung in den kommenden Jahren zu rechnen sein darf.

 

Wir bedanken uns bei allen Gästen, Organisatoren und Helfern für diese sehr gelungene Veranstaltung.

 
Weblinks:
1. Osnabrücker Fanrechtetag: Stadionverbote und VfL-Kritik [NOZ]
Koordinationsstelle Fanprojekte
Arbeitsgemeinschaft Fananwälte
Fanprojekt Osnabrück
Violet Crew – Ultras Osnabrück
Planeta Sol (Google Maps)