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Mein Spielbericht: FC Würzburger Kickers – VfL Osnabrück 1:3 [JR]

Ich war mental vorbereitet. Pflichtbewusst ging ich als leidgeprüfter VfL-Fan vor diesem möglicherweise vorentscheidenden Duell im Abstiegskampf gegen die Würzburger Kickers natürlich erstmal vom Schlimmsten aus. Das spielfreie Wochenende nutzte ich, um mir schon mal die dritte Liga schön zu denken: Überwiegend Samstagsspiele, entspannt in der halbleeren Ostkurve stehen, kein notwendiger Umbau der Bremer Brücke und viele Auswärtsspiele, die aus dem Kölner Exil, in den ich mich befinde, gut zu erreichen sind. Klar, Halle ist nicht Hamburg, Saarbrücken nicht Schalke, aber letztendlich verläuft man sich in diesen großen Arenen ja nur… Oder?

Nein. So sehr ich es versuche – noch will ich mich mit der dritten Liga nicht abfinden, diesem Vorhof auf dem Weg in die sportliche Bedeutungslosigkeit. Allein beim Gedanken an die Wiesbadener Wellblech-Wanne krieg ich Pickel. Vielleicht sollte man einfach ein riesiges Poster dieses ästhetischen Verbrechens namens Claudia-Arena (oder war es Birgit? Bettina? Irgendwie so…) in die VfL-Kabine hängen. Mir zumindest wäre das Ansporn genug, mit aller erdenklichen Macht gegen den Abstieg zu kämpfen.Vielleicht reichte für unsere „lila Jungs“, die mal wieder in indezentem gelb aufliefen, auch der ganz reale Eindruck des Würzburger Stadions. Ein Fußballtempel, zu dem sich sämtliche sakralen Anspielungen eigentlich verbieten würden. Vielleicht so: Das Ding ist so offen, der Fußballgott muss einen hervorragenden Blick auf‘s Spielfeld haben.

Zumindest präsentierte sich der VfL zu Beginn der Partie so, als habe er kein gesteigertes Interesse in der nächsten Saison wieder dort spielen zu müssen. Kerk traf den Pfosten, Reis und Multhaup vergaben leichtfertig gute Möglichkeiten, was für VfL-Verhältnisse schon eine wahre Chancenflut in den ersten 30 Minuten darstellte. Es war kein Feuerwerk, aber der VfL performte insgesamt ordentlich. Anders als die Charakterdarsteller „Icke“ Häßler und „Loddar“ Matthäus, die mit ihren Reklamen im Halbzeit-Werbeblock mal wieder deutlich machten, warum die Sehnsucht nach offenen Stadien immer größer wird. Schlechtere Schauspieleinlagen kennt man sonst nur von Neymar, sobald er den Hauch einer Berührung durch den Gegenspieler verspürt. „Sky is the limit“, wobei ‚limit‘ für mich inzwischen eher die Grenze des gerade noch Ertragbaren darstellt.

Naja, Jammern hilft bekanntlich nicht im Abstiegskampf. Unwahrscheinlich, dass die VfL-Spieler in der Halbzeit auch „Icke“ und „Loddar“ beim Schauspielversuch sehen mussten. Dennoch kamen sie etwas uninspiriert aus der Pause. Umso wichtiger, dass gerade in dieser Phase endlich wieder ein Standard zum Torerfolg führte. Ich gebe zu, in den letzten Wochen habe ich unser Instagram-Sturmduo aus Santos und Kerk oft kritisiert. Unbestritten sind aber ebendiese fotogenen Fußballmodels mit hoher Wahrscheinlichkeit beteiligt, wenn’s bei den lila-weiß-gelben aus Osnabrück vorne gefährlich wird. Mea culpa.

Logisch, ganz ohne Zittern geht’s beim VfL dann auch nicht. Doch mit den Premierentreffern von Amaretto-Ulli Taffertshofer und Ludo Reis konnte zumindest spät für Klarheit gesorgt werden. Eine Braunschweiger Niederlage hätte zwar für etwas mehr Hoffnung sorgen können, aber die Alpträume vom Wiesbadener Gästekäfig können vorerst Teil der Traumwelt bleiben. Kurz nach dem Spiel sorgte Torschütze Taffertshofer via Instagram dann noch für etwas mehr Balsam auf meiner Fanseele. In einem Video malte er sich aus, wie nach dem Sieg wohl im Schmalen Handtuch oder anderswo in der Altstadt gefeiert worden wäre. Und deshalb darf man an dieser Stelle auch mal sagen: Ulli, du bist ein geiler Typ! Und wenn es beim VfL im Abstiegskampf eines braucht, dann das: Typen.